Die Schachnovelle von Stefan Zweig – Inhalt und Interpretation

Die Schachnovelle von Stefan Zweig ist eine psychologische Erzählung, die die Grausamkeit des Nationalsozialismus thematisiert. Erfahre, wie das Schachspiel das Schicksal von Dr. B. beeinflusst und warum Czentovic eine bedeutende Rolle spielt. Dies und vieles mehr findest du im folgenden Text!

Inhaltsverzeichnis zum Thema Schachnovelle

Die Schachnovelle im Überblick

  • Die Schachnovelle ist das letzte Werk von Stefan Zweig und zeigt verschiedene Merkmale einer Novelle auf, beispielsweise einen mittleren Textumfang, eine geradlinige Handlung, das Vorkommen eines Dingsymbols sowie eine Rahmen- und Binnenhandlung.

  • Auf einer Schiffsreise kommt es zu Begegnungen zwischen dem Schachweltmeister Czentovic, dem wohlhabenden Tiefbauingenieur McConnor, dem durch den Nationalsozialismus gebrochenen Dr. B. und dem Ich-Erzähler.

  • Das Dingsymbol der Schachnovelle, das alle Teile der Rahmen- und der Binnenhandlungen durchzieht, ist das Schachspiel. 

  • Die Schachnovelle gilt zum einen als psychologische Erzählung, da sie tiefe Einblicke in die Psyche von Dr. B. zulässt, und zum anderen als Mahnmal für die grausamen Taten im Nationalsozialismus.

Schachnovelle: Lernvideo

Quelle sofatutor.com

Die Schachnovelle – Einordnung

Stefan Zweig (1881–1942) war ein österreichischer Autor, der nach mehreren anderen Exilstationen im Jahr 1941 vor der nationalsozialistischen Regierung nach Brasilien floh. Sein letztes Werk ist die Schachnovelle. Nachdem er das Manuskript an mehrere Verleger geschickt hatte, wählte er kurz danach im Jahr 1942 den Freitod. Die Isolation und die Einsamkeit im brasilianischen Exil hatten seine depressiven Neigungen verstärkt. 

Seine Erfahrungen mit der Flucht vor dem NS-Regime und einem Leben im Exil übertrug Stefan Zweig auf die Hauptfigur Dr. B. in der Schachnovelle. Ein Schachbuch, dessen Partien er nachspielte, diente ihm als Inspiration für das zentrale Thema der Schachnovelle, das Schachspiel. 

  • Der Handlungsort ist ein Passagierschiff, das von New York nach Buenos Aires um das Jahr 1940 unterwegs ist. 
  • Vier Personen treffen in der Schachnovelle aufeinander: Ein Ich-Erzähler beschreibt die Vorkommnisse auf dem Passagierschiff und die Beziehungen zwischen ihm und den anderen drei Personen: dem Schachspieler Mirko Czentovic, Dr. B. und McConnor. 
  • Der Zeitraum der Erzählung umfasst ungefähr zwei Tage. 

Der Inhalt der Schachnovelle von Stefan Zweig kann in eine Rahmenhandlung, die Schiffsreise selbst, und in eine Binnenhandlung, die Rückblicke in Czentovics und Dr. B.s Vergangenheit enthält, eingeteilt werden.

Schachnovelle – Inhaltsangabe

Der Aufbau der Schachnovelle erfolgt nicht durch Kapitel. Man kann die Novelle in fünf Abschnitte unterteilen oder, wie im Folgenden dargestellt, eine Zusammenfassung der Schachnovelle in Rahmenhandlung und Binnenhandlung vornehmen. 

Schachnovelle: Rahmenhandlung I

Vor der Abfahrt des Schiffs erfährt der Ich-Erzähler der Geschichte, dass der berühmte Schachweltmeister Mirko Czentovic an Bord sein wird. In einer ersten Binnenhandlung wird die Vergangenheit von Czentovic kurz dargestellt. Er gilt als ungebildet mit einer einzigen Begabung, dem Schachspiel. 

Der schottische Ölmillionär McConnor überzeugt Czentovic durch das Ausschreiben einer hohen Geldsumme, Schach zu spielen. Czentovic gewinnt und McConnor fordert eine Revanche. Während dieses Spiels wird McConnor von einem Unbekannten unterstützt und die Partie endet unentschieden. Die Aufforderung zu einer weiteren Partie gegen den Schachweltmeister lehnt der Fremde ab. 

Der Unbekannte stellt sich dem Ich-Erzähler als Dr. B. vor und berichtet ihm seine Geschichte. 

Schachnovelle: Binnenhandlung

Neben der ersten Binnenhandlung, die direkt zu Beginn des Werks die Vergangenheit von Czentovic aufgreift, wird in einem zweiten Rückblick das Leben von Dr. B. erzählt. Als Anwalt hatte Dr. B. Vermögen verschiedener österreichischer Familien vor dem Zugriff des NS-Regimes in Sicherheit gebracht. Mithilfe von Isolationshaft, Schlafentzug und brutalen Verhören versuchten Anhängerinnen und Anhänger des Nationalsozialismus, an die Gelder zu gelangen. 

Aufgrund der brutalen Methoden war Dr. B. kurz davor, den Verstand zu verlieren. Die Ablenkung durch ein Schachbuch, das er aus der Manteltasche eines Gestapo-Mannes entwenden konnte, rettet ihn vor dem Wahnsinn. Er befasst sich immer mehr mit den Schachpartien und steigert dies ins Extensive. Losgelöst von dem Schachbuch spielt er eigene Partien im Kopf durch und nimmt dabei die Rollen des Spielers und des Gegenspielers ein. 

Aufgrund der Intensität dieses Gedankenschachspiels erleidet er eine Persönlichkeitsspaltung. Er bricht zusammen, greift einen Wärter an und wird am Ende als unzurechnungsfähig freigelassen. Die Überfahrt von New York nach Brasilien führt ihn in sein zukünftiges Exil

Das Schachspiel hat ihn seine Gefangenschaft überleben lassen, jedoch beschließt Dr. B., danach nie mehr eine Partie zu spielen, um die psychische Störung nicht erneut hervorzurufen.

Schachnovelle: Rahmenhandlung II

Nach diesem Bericht überredet der Ich-Erzähler Dr. B. zu einer Schachpartie gegen Czentovic, die Dr. B. gewinnt. Trotz seiner Ankündigung, nur ein Spiel zu spielen, willigt Dr. B. in ein weiteres Spiel als Revanche ein. Czentovic gelingt es, Dr. B. zu irritieren, und bei Dr. B. tauchen Anzeichen der psychischen Störungen erneut auf. Der Ich-Erzähler greift ein und erinnert Dr. B. an seine Vergangenheit. 

Dieser kommt zu sich, bricht das Spiel ab, erklärt Czentovic zum Sieger der Partie und gibt an, niemals wieder Schach spielen zu wollen. Czentovic verabschiedet sich in herablassender Art und Weise von Dr. B.

Die Schachnovelle – Analyse und Interpretation

Wichtige Merkmale einer Novelle sind der mittlere Umfang des Textes sowie ein geradliniger Handlungsablauf, die beide in der Schachnovelle zu finden sind. 

  • Die Schachnovelle kann der Exilliteratur zugeordnet werden, die das Zeitgeschehen im nationalsozialistisch regierten Deutschland aufgreift. 
  • Ebenso ist die Schachnovelle eine bedeutende psychologische Erzählung, die biografische Elemente des Autors enthält. Stefan Zweig selbst wählte Brasilien als Ort für sein Exil und musste selbst psychische Herausforderungen bewältigen, die ihn am Ende in den Freitod zwangen. 
  • Die beiden Binnenhandlungen, eingebettet in eine Rahmenerzählung, dienen dazu, die zwei äußerst unterschiedlichen Schachspielcharaktere, Dr. B. und Mirko Czentovic, in ihrer Tiefe darzustellen.

Psychologische Erzählung

Die Psychologie spielt eine zentrale Rolle in diesem Werk. Dr. B. hat in Isolationshaft eine Persönlichkeitsspaltung erlitten und wird durch die Übernahme verschiedener Schachspielrollen zu einer multiplen Persönlichkeit. Beim Schachspiel gegen Czentovic droht die psychische Erkrankung erneut auszubrechen. Der Ich-Erzähler rettet ihn aus der Situation.

Auch die psychische Verfassung anderer Figuren wird dargestellt. Über den ganzen Text der Schachnovelle verteilt finden sich einige Textstellen zur Interpretation der psychischen Verfassung der Figuren. McConnor wird als wohlhabender und geistloser Mann beschrieben, der vom Siegen beherrscht wird. Czentovic als ungebildeter Mensch mit einer einzigen Begabung (Schachspiel) wirkt auf seine Mitmenschen mechanisch und kalt.

Mahnmal des Nationalsozialismus

Die Schachnovelle greift die psychischen Folgen von Folter, Verfolgung und Flucht zur Zeit des Nationalsozialismus auf. Das Leiden von Dr. B. in der Einzelhaft erinnert an das Schicksal aller Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt und misshandelt wurden. Das Schachspiel mit Sieg und Niederlage kann in der Novelle als Symbol für den Zweiten Weltkrieg gedeutet werden.

Charakterisierung in der Schachnovelle

Die beiden Rückblicke, die in die Rahmenhandlung eingearbeitet wurden, erläutern die Hintergründe, wie Czentovic und Dr. B. zum Schachspiel kamen. Die zwei äußerst unterschiedlichen Charaktere werden im Rahmen des Schachspiels gegenübergestellt.

  • Czentovic spielt mechanisch. Zweig verdeutlicht damit, dass das Schachspiel nur zu einem Sieg oder einer Niederlage führen kann. Czentovic ist nur auf Erfolg aus.
  • Für Dr. B. hat das Schachspiel eine komplett andere Wirkung. Es half ihm, in der Isolationshaft mit Folter nicht den Verstand zu verlieren. Allerdings birgt die ausgiebige und fast schon krankhaft häufige Nutzung noch andere Gefahren. 

Betrachtet man die Figuren der Schachnovelle in ihren Beziehungen zueinander, findet man Dr. B. als Protagonisten und Czentovic als direkten Antagonisten (Gegenspieler). McConnor treibt die Handlung voran, indem er die Schachpartie anregt. Der Ich-Erzähler berichtet über das Geschehen und moderiert so die Handlung. Am Ende der Geschichte greift er einmal bewusst ein und warnt Dr. B. davor, weiter Schach zu spielen. 

Die Interpretation des Endes der Schachnovelle zeigt Czentovic als Sieger, der sich herablassend verabschiedet, und Dr. B. als Verlierer, der die Partie abgebrochen hat, da ihn die Zeit des Nationalsozialismus psychisch wieder eingeholt hat.

Schachnovelle: Personenkonstellation

Häufig gestellte Fragen zum Thema Schachnovelle

Nein, Stefan Zweig selbst blieb kinderlos. Seine erste Frau brachte zwei Kinder in die Ehe mit.

Der Ich-Erzähler in der Schachnovelle stammt aus Österreich und greift am Ende der Novelle aktiv ein, indem er Dr. B. an seine psychische Erkrankung erinnert. Ansonsten erzählt er die Geschichte.

Eine Novelle ist in der Regel eine mittellange Erzählung mit geradlinigem Verlauf, die meist aus einer Rahmen- und einer Binnenhandlung besteht. Neben diesen Merkmalen findet man in der Schachnovelle auch das Merkmal des Dingsymbols wieder: in diesem Fall das Schachspiel.

Mirko Czentovic stammt aus dem südslawischen Raum. Sein Vater war Donauschiffer.

Wie der Name schon verrät, ist die Schachnovelle eine typische Novelle, die mehrere Merkmale dieser Textsorte enthält: mittlere Länge, geradlinige Handlung, Dingsymbol etc.

Die Schachnovelle gehört zur sogenannten Exilliteratur und wird so dem Zeitraum des Zweiten Weltkrieges zugeordnet, da hier viele Menschen vor den Machenschaften der nationalsozialistischen Regierung ins Exil fliehen mussten.

Stefan Zweig ist der Autor der Schachnovelle.

Die Schachnovelle spielt um das Jahr 1940.

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