Die Ringparabel in Lessings Drama Nathan der Weise

Erfahre, wie Lessing in seinem Drama die Toleranz zwischen Religionen thematisiert. Die Ringparabel dient als zentrales Symbol für die Gleichwertigkeit der Weltreligionen. Mehr über Aufklärung, Toleranz und die Interpretation der Ringparabel erfährst du hier!

Inhaltsverzeichnis zum Thema Ringparabel

Die Ringparabel im Überblick

  • Die Ringparabel wird als Gleichnis im Drama Nathan der Weise (1779) von Gotthold Ephraim Lessing erzählt.

  • In Nathan der Weise ist die Ringparabel Bestandteil der Szene III.7 innerhalb des Gesprächs zwischen Nathan und Saladin.

  • Die Ringparabel ist eine kurze Erzählung, die Nathan dem Sultan Saladin vorträgt.
  • Der Sultan hat Nathan die Frage gestellt, welche der drei Religionen Judentum, Christentum und Islam die beste sei. Nathan antwortet dem Sultan darauf mit der Erzählung in Form der Ringparabel.

  • Als Vorlage diente Lessing die Ringparabel aus Boccaccios Werk Il Decamerone, einer Geschichtensammlung aus dem 14. Jahrhundert.

Ringparabel: Lernvideo

Quelle sofatutor.com

Die Ringparabel im Detail – Aufbau, Inhalt und Analyse

Was ist die Ringparabel? Die Ringparabel ist eine Parabelerzählung (ein Gleichnis) aus dem Drama Nathan der Weise, das von Gotthold Ephraim Lessing im Jahr 1779 veröffentlicht wurde. 

Es folgt eine kurze Zusammenfassung der Handlung des Dramas:

In Nathan der Weise geht es um das Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen im Jerusalem des 12. Jahrhunderts. Die Stadt wird vom muslimischen Herrscher Saladin regiert. Im Zentrum des Dramas steht der wohlhabende jüdische Kaufmann Nathan, der ein Beispiel für Toleranz und Vernunft ist. Die grundlegende Fragestellung, ob ein friedliches Zusammenleben zwischen Juden, Christen und Muslimen möglich ist, ist eine zentrale Frage der Aufklärung. 

In diesem Artikel werden alle wichtigen Aspekte zum Aufbau, Inhalt und zur Bedeutung der Ringparabel im Drama Nathan der Weise erklärt.

Die Ringparabel – Parabelform

Wenn du die Ringparabel gelesen hast, ist dir eventuell aufgefallen, dass diese eine eigene Erzählung ist, die eine bestimmte Form hat. Die Erklärung hierzu ist: Die Ringparabel ist eine sogenannte Parabel, das heißt ein Gleichnis. Die Definition einer Parabel ist, dass in einer Parabel das Dargestellte nicht im wörtlichen, sondern im übertragenen Sinn verstanden wird. 

So gibt es in der Ringparabel zwei Ebenen: die Sachebene und die Bildebene. Die Bildebene der Ringparabel ist die Erzählebene, dort wird also eine Geschichte erzählt. Auf der Sachebene wird der eigentliche Sinn der Erzählung vermittelt. Um den Unterschied zwischen Sach- und Bildebene zu verdeutlichen, werden alle wichtigen Aspekte der Ringparabel in der folgenden Tabelle aufgeschlüsselt.

Bildebene Sachebene
drei ununterscheidbare Ringe die drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam
Streit um den echten Ring Kriege zwischen den Religionen
der Vater Gott
der Richter eine aufklärende Instanz – Nathan

Die Ringparabel – Inhaltsangabe

Es folgt eine kurze Zusammenfassung der Ringparabel

Der Herrscher Saladin hat dem weisen jüdischen Kaufmann Nathan die Frage nach der einen ‚wahren‘ Religion unter Judentum, Christentum und Islam gestellt. Nathan wittert eine Falle Saladins und antwortet schließlich mit der Ringparabel: 

Vor langer Zeit lebte ein Mann, der einen Ring mit der Fähigkeit besaß, sich vor Gott und Menschen angenehm zu machen. Diesen kostbaren Ring vererbte er seinem geliebtesten Sohn und beschloss, dass von nun an alle Väter den Ring auf diese Weise vererben sollten. Doch viele Jahre später ist ein Vater nicht in der Lage, den Ring an einen seiner drei Söhne zu vererben, da er alle gleich liebt. Er lässt von dem Ring zwei Kopien anfertigen, so dass man den echten Ring nicht mehr identifizieren kann. Als die Söhne herausfinden, dass jeder einen Ring bekommen hat, wenden sie sich an einen Richter, der die Angelegenheit für sie lösen soll. Der Richter will jedoch kein Urteil fällen, er gibt den Brüdern nur einen Rat: Jeder von ihnen solle sein Leben so leben, als ob er den echten Ring besitzen würde. In 1000 Jahren solle dann ein weiserer Mann als er noch einmal über die Sache richten. 

Nathan sagt Saladin, dass die wahre Religion genauso wenig zu bestimmen sei wie der echte Ring. Saladin zeigt sich tief beeindruckt von der Parabel und er muss feststellen, dass er sich auch nicht als weiserer Richter sieht, um über die Religionen zu richten. Er erkennt, dass Nathan ihm diese Botschaft der Ringparabel zu Recht vermittelt hat und bietet diesem die Freundschaft an.

Die Ringparabel – Interpretation

Wenn die Bild- und Sachebene der Ringparabel bekannt ist, kann man die Ringparabel einfach erklären: 

  • In Bezug auf die drei Religionen Judentum, Christentum und Islam bedeutet die Ununterscheidbarkeit, dass die drei Weltreligionen den gleichen Wert haben und jeweils einen Gott verehren, der nur unterschiedlich benannt wird (Gott, Jehovah, Allah). 
  • Der Streit um den wahren Ring steht für Auseinandersetzungen zwischen den Religionen.
  • Der Richter, der den Streit zwischen den Brüdern klären soll, ist eine vermittelnde Instanz, wie auch Nathan ein Vermittler zwischen verschiedenen Religionen ist. 

Demnach ist die Botschaft der Ringparabel, dass die Menschen, anstatt den Anspruch zu erheben, ihre eigene Religion sei die einzig wahre, lieber im Sinne ihres Glaubens Toleranz üben sollen. Dies bedeutet, den eigenen Glauben zu leben und ihn als Antrieb zum guten Handeln zu verstehen: Angehörigen einer anderen Religion soll vorurteilsfrei und mit Menschlichkeit begegnet werden. Diese Botschaft der Vernunft und Toleranz in der Ringparabel ist ein Grundanliegen der Aufklärung

Die Deutung der Ringparabel lässt sich aufgrund ihrer Struktur und Bildhaftigkeit sehr gut in einem Schaubild ausdrücken.

Bild- und Sachebene in der Ringparabel

Die Ringparabel – das Symbol als zentrales Stilmittel

In der Ringparabel findet sich vor allem das Stilmittel des Symbols. Ein Symbol ist ein Zeichen, eine bildhafte Aussage, die eine besondere und oft festgelegte Bedeutung für uns hat. Ein Beispiel für ein bekanntes Symbol ist das Herz, das für die Liebe steht.

Ringparabel: Symbol als Stilmittel

Die zentralen Symbole in der Ringparabel sind die Ringe, die die drei Söhne von ihrem Vater erhalten. Die drei ununterscheidbaren Ringe stehen für die drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam. Die Ringe werden fortwährend an die nächste Generation weitergegeben, was auf die geschichtliche Überlieferung von Religionen durch die eigene Gemeinschaft über die Jahrhunderte verweist.

Die Ringparabel – Aktualität

Das Drama Nathan der Weise wurde vor über 200 Jahren veröffentlicht, in einer völlig anderen Zeit. Im Vergleich zum heutigen Deutschland gibt es unzählige Unterschiede zwischen 1779 und heute. Ist also die Ringparabel noch aktuell und wie kann man die Bedeutung der Ringparabel auf heute übertragen? 

Man kann diese Frage auf unterschiedliche Arten beantworten und es gibt nicht nur eine richtige Antwort. Betrachtet man allerdings die grundlegenden Botschaften aus der Ringparabel, also die Forderung nach Toleranz und Menschlichkeit sowie friedlichem Zusammenleben der Anhänger verschiedener Religionen, kann man feststellen, dass diese zeitlos sind. Als Ideal können diese Forderungen auch aktuell noch gelten.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Ringparabel

Die Ringparabel ist eine Parabelerzählung, die im Drama Nathan der Weise von der Figur Nathan vorgetragen wird.

Nathan beantwortet mithilfe der Ringparabel die Frage des Sultans Saladin, welche Religion aus Judentum, Christentum und Islam die wahre Religion sei.

Nathan beantwortet mithilfe der Ringparabel die Frage des Sultans Saladin, welche Religion aus Judentum, Christentum und Islam die wahre Religion sei.

Die Ringparabel findet sich im Drama Nathan der Weise in der 7. Szene des 3. Aufzugs (Akts).

Lessing hat bei der Entwicklung der Ringparabel auf eine bestimmte Quelle zurückgegriffen: Die Novellensammlung Il Decamerone, die Giovanni Boccaccio 1349 veröffentlichte. Dort findet sich schon die Ringparabel, die Lessing dann noch bearbeitet hat.

Das Drama Nathan der Weise wurde 1779 veröffentlicht, in der literarischen Epoche der Aufklärung. Die Ringparabel in Nathan der Weise beinhaltet eine zentrale Botschaft der Aufklärung: mit Vernunft, tolerant und menschlich zu handeln, egal welcher Religion man angehört.

Die Botschaft der Ringparabel ist ganz verkürzt dargestellt, dass alle drei Weltreligionen den gleichen Kern haben und jeder Glaube sich im guten Handeln der Gläubigen zeigt. Die Ringparabel ist auch ein Aufruf zu tolerantem und vernunftgeprägtem Handeln der Gläubigen aller Religionen im Umgang miteinander.

Die Ringparabel hat im Drama die Funktion, die Figur Saladin zum Nachdenken über seine eigene Einstellung anzuregen. Nachdem Nathan die Ringparabel-Erzählung beendet hat, ändert sich Saladins Verhalten und Denken gegenüber Nathan, aber auch den anderen Figuren.

Die Ringparabel kann innerhalb der klassischen Fünf-Akt-Dramenstruktur als Höhepunkt der Handlung bezeichnet werden. Der Konflikt zwischen Saladin und Nathan erreicht während der Ringparabel seinen Höhepunkt und der Abschluss dieser Parabel leitet zugleich eine Wendung ein. Nachdem Saladin die Ringparabel gehört und verstanden hat, verändert sich seine Haltung gegenüber Nathan.

Die Ringparabel endet damit, dass der Richter, der über die Problematik der drei ununterscheidbaren Ringe richten soll, kein Urteil zu den Ringen fällt. Stattdessen gibt er den drei Söhnen den Rat, sie sollten sich im Leben so verhalten, als hätten sie den einen echten Ring, der vor Gott und Menschen angenehm macht. In 1000 Jahren solle dann ein weiserer Richter erneut über die Angelegenheit entscheiden.

Die Ringparabel nimmt in Nathan der Weise eine wichtige Stellung ein, da sie die Beziehung zwischen Nathan und Saladin beeinflusst. Somit wird durch die Ringparabel die Handlung in eine bestimmte Richtung gelenkt.

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