Berufe: Wie wird man … Mangazeichner?
Melanie Schober hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht: Sie ist Mangazeichnerin. Im Interview verrät sie, wie sie das angestellt hat.
Melanie, du hast schon früh mit dem Zeichnen angefangen. Seit wann interessierst du dich besonders für den Mangastil?
Melanie Schober: „Seit ich in der Lage war, Comics zu lesen, schwankte ich zwischen: ‚Ich will Autorin, Illustratorin oder Schauspielerin werden!‘. Als ich elf Jahre alt war, fand ich das, was alle Wünsche vereinte: das Comiczeichnen. Meine erste Berührung mit dem Mangastil hatte ich, als Sailor Moon im deutschen Fernsehen lief. Anfangs sträubte ich mich, im Stil von Sailor Moon zu zeichnen. Ich hatte Angst, ihn zu klauen. Später fand ich heraus, dass ‚Manga‘ ein ganzes Genre ist. Ich fing an, herumzuprobieren und meinen eigenen Stil zu entwickeln.“
Was fasziniert dich so an Mangas?
Melanie Schober: „Zum einen mag ich, dass Mangas nicht coloriert werden müssen. Sie sind in schwarzweiß gehalten. So kann man viel schneller eine Geschichte erzählen. Außerdem finde ich, dass die Farblosigkeit die Fantasie anregt. Auch die Linien, die manchmal nicht zu Ende gezogen werden und die einfach gezeichneten Gesichter bieten Interpretationsspielraum. Das macht für mich den Mangastil aus. Die Erzählart, die meist ohne lange Texte auskommt, erzeugt ein ‚Kino im Kopf‘. Natürlich mag ich auch die sehr ausdrucksstarken Augen. Man kann mit ihnen so viel Gefühl und Tiefe vermitteln.“
Wie wird man Mangazeichner oder -zeichnerin? Gibt es eine Ausbildung?
Melanie Schober: „Leider gibt es in Deutschland keine Ausbildung. Dafür ist die Branche noch zu klein und die beruflichen Perspektiven zu unsicher. Anders als in Frankreich: Dort gibt es Schulen, in denen man das Comiczeichnen – auch im Mangastil – lernen kann. Hierzulande gibt es nur kleine Kurse und Workshops. Wenn man Mangazeichner werden will, muss man sich die Techniken selbst beibringen. Es hilft aber, eine grafische Ausbildung zu machen. Als Mangazeichner benötigt man grafisches Wissen. Außerdem kann es nicht schaden, einen zweiten Beruf neben dem Mangazeichnen zu haben. Nur selten kann man seinen gesamten Lebensunterhalt mit dem Mangazeichnen bestreiten.“
Wie sieht der Weg eines Werks aus – von der Idee bis zur Veröffentlichung?
Melanie Schober: „Erst hat man eine Idee, einen Geistesblitz. Dann reift diese Idee und man schreibt ein Konzept. Darin wird die Story grob niedergeschrieben und die wichtigsten Charaktere vorgestellt. Das Konzept bekommt der Verlag und dieser entscheidet, ob die Idee gut ist. Wenn das der Fall ist, kommt ein Vertrag zustande. Dann arbeitet man die Geschichte aus: beseitigt Logikfehler oder streicht Überflüssiges. Als nächstes wird der gesamte Manga in ‚Strichmännchenform‘ gezeichnet, so grob, dass man gerade noch erkennt, was auf den Bildern passiert. Diese Layouts nimmt der Redakteur unter die Lupe. Nach seinem Feedback werden sie sauber mit Bleistift vorgezeichnet und getuscht. Dann werden die Graustufen eingesetzt. Die fertigen Seiten lädt man auf den Verlagsserver. Danach werden sie verlagsintern beschriftet. Erst dann erscheint das Buch. Dieser Prozess kann ein bis zwei Jahre dauern.“
Du schreibst in deinem Blog, dass es Manga in Deutschland nicht einfach hat. Wie äußert sich das in deinem Berufsalltag?
Melanie Schober: „Es gibt immer noch Vorurteile von ‚Leserseite‘ gegenüber deutschen Zeichnern. Für manche ist es schwer vorstellbar, dass die Japaner den Mangastil nicht für sich gepachtet haben und dass auch ein Zeichner aus dem Westen in der Lage ist, den Stil für sich zu adaptieren und was Neues daraus zu machen. Es ist sogar wichtig, dass der Manga mit dem Westen in Kontakt kommt. Dadurch entstehen neue Ideen und Konzepte. Diese helfen dem Manga weltweit, interessant zu bleiben. Kunst muss lebendig bleiben. Nationale Grenzen spielen keine Rolle.“
Du hast schon viele Preise gewonnen, viele Werke veröffentlicht. Hinter dir steht ein Verlag, der deine Manga-Serien verlegt. Gibt es trotzdem etwas, was du beruflich unbedingt noch erreichen möchtest?
Melanie Schober: „Ja! Ich träume davon, eines meiner Werke außerhalb Deutschlands zu veröffentlichen. Außerdem wäre es traumhaft, wenn ich mich eines Tages aufs Geschichtenerzählen allein konzentrieren könnte, ohne dauernd ‚Brotjobs‘ nebenher zu erledigen.“
Was würdest du Schüler/innen mit auf den Weg geben, die mit dem Gedanken spielen, Mangazeichner/in zu werden?
Melanie Schober: „Übt fleißig! Es gibt keine Abkürzungen, keine Programme oder ‚Wunderzeichenwerkzeuge‘, die euch das Üben ersparen. Nehmt Papier und einen Bleistift und zeichnet, was in euren Köpfen herumschwirrt. Kreativität ist ein Muskel und ohne Training verkümmert er. Und lernt unbedingt noch einen vernünftigen Beruf! Es ist wahnsinnig schwer, bei einem Verlag unterzukommen. Zur Not kann man seine Werke immer noch im Eigenverlag veröffentlichen. Nutzt alles, was euch zur Verfügung steht!“
Kannst du uns in Bildern zeigen, wie man ein Auge im Mangastil zeichnet?
Melanie Schober: „Gern!
Schritt 1: Zeichne das Ober- und das Unterlid.
Schritt 2: Zeichne die Iris als Kreis ein.
Schritt 3: Füge die Pupille hinzu und nach eigenem Geschmack Details, die das Auge lebendig wirken lassen (Schwarzflächen verleihen dem Blick Tiefe).
Schritt 4: Tusche deine Skizze mit Finelinern oder Feder und Tusche.“
Vielen Dank für das Interview!
Alle Bilder: © Melanie Schober
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